Ober Bergli
Redaktion/Autor: Markus Aschwanden KKI
Drohnen-Fotografie: Felix Aschwanden
Erstellt: 2020
Datensammlung: Markus Aschwanden
Foto 005939 Das Ober Bergli liegt im Kleintal am Hang unter der Chulm auf rund 1300 m ü.M. Der Hang ist nach Osten ausgerichtet. Zum Ober Bergli führt keine Strasse. Die Erschliessung führt heute über einen Fussweg mit Start beim Hundwald. Früher stieg man vom Vorder Chlosterberg der Falllinie nach zum Ober Bergli.
Bergli bedeutet laut ortsnamen.ch ‘alpwirtschaftlich genutztes Gebiet’, meist aber ‘Bergheimwesen’, d.h. höher gelegenes, teils ganzjährig, teil zeitweise bewohntes Bauerngut.
Das Ober Bergli hiess früher Musenberg (sicher bis 1957)
Drohnen-Video: Flug über das Ober-Bergli
Grundbuch
Liegenschaft Nr. 197
(Hauptbuchblatt 150), Plan Nr. 18, Ober Bergli
71’778 m²
Eigentümer
Josef Herger-Gisler
Alter Landweg 24, 6461 Isenthal
Die Besitzer des Ober Bergli
1859, im Jahr der Eröffnung des Hypothekarbuches Isenthal, ist Franz Josef Bissig dessen Kinder Jost, Maria, Franz-Josef und Johann-Josef eingetragen. Dieser Erblasser ist Franz Josef Bissig 1798-1859 , verh. 1822 mit Maria Anna Josefa Katharina Agatha Aschwanden 1801-1822 , in 2. Ehe 1825 mit Magdalena Helena Gnos 1797-1879 , in Isenhal, im oberen Schluchen
Es folgen als Besitzer des Ober Bergli Josef Bissig, Sohn. Dabei dürfte es sich um Johann Josef 1838-1864, das jüngste Kind des Vorbesitzers handeln. Johann Josef bleibt ledig und stirbt früh 1864.
1864, nach dem Tod von Johann Josef Bissig übernimmt Johann Josef Maria Infanger 1820-1870, Schattigmatt. Er ist 1859 verh. mit Maria Anna Josefa Apollonioa Aloisia Aschwanden 1827-1884.
Wer nach dem Tod von Johann Infanger 1884 das Ober Bergli besitzt ist unklar, weil ein Eintrag im Hypothekarbuch Uri fehlt. Zu vermuten ist Sohn Johann Josef Michael Infanger 1871-1940, Schattigmatt, der sich 1908 verh. mit Marie Bissig 1884-1962. Sie sind die Eltern des ‘Schattimättlers’ Alois Infanger-Zwyssig.
1914 werden Johann-Josef Jauch, Vorderer Wangberg, Isenthal und Anton Arnold, Rösti, Bauen Besitzer des Ober Bergli. Johann-Josef Jauch ist der Ur-Miseeler. Er wird so genannt, weil er als pssionierter Landsgemeinderedner mit häufigen Zwischenrufen: “Mi Seel!” auffiel. Johann-Josef 1851-1917 und Anna 1865-1903 Jauch-Aschwanden, wohnhaft im Vorderen Wang, sind Eltern von 10 Kindern. Die Mutter stirbt bei der Geburt des jüngsten Kindes.
Nach dem Tod von Johann-Josef Jauch 1917 bleibt der Mitbesitzer Anton Arnold, Rösti, Bauen noch für 4 Jahre alleiniger Eigentümer des Ober Bergli.
Foto 05252 und 00518
1921 übernimmt Andreas Infanger, Wätzlig 1869-1946 das Ober Bergli.
Laut Ahnenblatt Isenthal heiratet er 1898 Marie Gnos.
Andreas und Marie Infanger-Gnos wohnen nur im Sommer im Ober Bergli. Ihr Hauptwohnsitz ist das Wätzlig.
Foto 00502 Vater Andreas Infanger-Gnos mit seinen Kindern v.l. Franz 1902-1954 (Schipf Franz), Hans 1905-1980, Marie 1903- , Alois 1906-1978 und Andreas 1899- . Sie stehen hier vor dem Schipf-Haus. Zwei Söhne Josef 1901-1988 und Fridolin 1910-1995 fehlen auf dem Foto.
1929 übernimmt Hans (Joahnn) Infanger 1905-1980 (2.v.l.) den Musenberg . Er wohnt dann vermutlich bereits ganzjährig im Ober Bergli.
Foto 11744 und 11743 Franz Herger 1894-1976 , verh. mit Anna Stadler 1900-1993 (Tochter vom Lehnhof in Altdorf) bewirtschaften den Bauernhof der Wipflis in Bolzbach, Seedorf. Sie wohnen im alten Haus. Hier kommen die neun Kinder zur Welt.
Franz und Anna Herger-Stadler kaufen das Ober Bergli 1937 und das Alprecht in der oberen Hütte im Alpeli. Sie ziehen gleich mit ihren neun Kinder von Bolzbach dort hinauf. Im Bergli werden zwei weitere Kinder geboren.
Bis 1941 wohnt die Familie im Winter in Seedorf und im Sommer im Ober Bergli oder Alpeli. 1941 übersiedeln sie endgültig ins Kleintal.
Seedruck führt zum Kauf des Ober Bergli
Mutter Anna ist in der Zeit der Geburt des neunten Kindes, Gottfried, schwer erkrankt. Dr. Diethelm sen. soll zum Ehepaar Herger-Stadler gesagt haben: “Wenn Anna nicht vom Seedruck wegkommt, wird sie sehr bald sterben.” Franz Herger handelt danach rasch. Er kauft im Isenthal von Johann Infanger 1937 das Häimä Ober Bergli und zieht mit der 11-köpfigen Familie dort hinauf. Anna, die Mutter der 9 Kinder wird im Ober Bergli wieder gesund, schenkt weiteren zwei Kindern, Marie 1940 und Margrit 1943, das Leben und stirbt erst im hohen Alter von 93 Jahren.
Foto 00753 Die Familie von Anna und Franz Herger-Stadler, Ober Bergli
hinten v.l. Anton (Toni) 1925- / Agnes 1923- / Fridolin 1933- / Josef 1936- / Franz 1927- / Otti 1935- / Emma 1930-
vorn v.l. Gottfried 1937- / Margrit 1943- / Mutter Anna 1900-1993 / Walter 1929- / Vater Franz 1894-1976 / Maria 1940
Umzug im Pinggel
erzählt von Fridolin Herger 1933-
1940 blieben wir bis weit nach Weihnachtenim Oberen Bergli. Ich ging von Oktober an von dort in die 1. Klasse. in Isenthal. Am 21.Dez. 1940 kam im Bergli unsere Marie zur Welt. Die Zügeln nach Seedorf, unserem damaligen Wohnort im Winter zog sich dahin, einerseits wegen Marie und unserer Mutter, aber auch weil es viel Schnee gab. Endlich Ende Januar, bei schönem Wetter zügelten wir. Unser Vater Franz Herger-Stadler holte am Vorabend einen kleinen Pinggel Heu in unsere Stube. In diesen formten wir eine Vertiefung.
Am nächsten Morgen wurde die winzige Marie in den Pinggel gelegt, zugedeckt und festgebunden. Mein Vater lud den Pinggel auf seinen Rücken. Dann gings runter zum Klosterberg. Ich musste hinter Vater mit einem Strick den Pinggel mit Marie sichern.
Im Klosterberg wurde Marie samt Pinggel auf einen ‘Horenschlitten’ gelegt. Damit konnten wir durch die Kleintaler- und Isenthalerstrasse bis zum See an der Isleten fahren. Dort wartete schon der Nauen des Steinbruchs Bolzbach auf uns und führte uns nach Hause in Bolzbach. – Ich setzte die 1. Klasse nun in Seedorf fort.
Foto 00755 1957 übernimmt Sohn Walter Herger 1929-2014 das Ober Bergli. Er heiratet Maria Truttmann 1930-2011 vom Seelisberg.
Walter und Maria Herger-Truttmann werden im Verlauf der Jahre im Oberbergli Eltern von 10 Kindern.
hinten v.l. Josef / Annamarie / Mutter Maria / Vater Walter / Walter
unten v.l. Monika / Alois / Marietheres / Martha / Agatha / Verena / Edith
Foto 07094 Und dann 1968 das Drama mit dem Berg. Der ganze Hang rutscht! Die Bedrohung zwingt Maria und Walter Herger-Truttmann mit ihren 10 Kindern fort vom Häimä. Sie finden unten, beim Dorf, in der Schattigmatt eine Bleibe.
Foto 00754 Dieses Zeitungsfoto zeigt die ganze Härte des Schicksals, das die Familie Herger-Truttmann getroffen hat. Sie alle haben ihr Daheim verloren. Und für die Eltern der 10 Kinder wird der Existenzkampf, der schon bisher hart gewesen ist, brutal.
Foto 00750
1979 übernimmt Josef (Sepp) Herger, Sohn von Walter und Marie Herger-Truttmann das Ober Bergli.
Familie Josef und Rita Herger-Gisler, Schattigmatt und Ober Bergli
hinten v.l. Vater Josef / Josef / Martin
vorn v.l. Doris / Mutter Rita / Regina
Besitzer im Jahr 2020
Eigentums-Übergänge im Ober Bergli (früher Musenberg) laut Hypothekarbuch Uri und anderen Quellen
1859 | Franz Josef Bissig dessen Kinder Jost, Maria, Franz-Josef und Johann-Josef |
– | Sohn Josef Bissig |
– | Johann-Josef Infanger, Schattigmatt |
1914 | Johann-Josef Jauch, Vorderer Wangberg und Anton Arnold, Rösti, Bauen |
1917 | Anton Arnold, Rösti, Bauen |
1921 | Andreas Infanger, Wätzlig |
1929 | Sohn Hans (Johann) Infanger (Schipf Hans) |
1937 | Franz und Anna Herger-Stadler von Bolzbach herziehend |
1957 | Sohn Walter mit Ehefrau Marie Herger-Truttmann |
1997 | Sohn Sepp (Josef) mit Ehefrau Rita Herger-Gisler |
Der Betrieb Ober Bergli
Foto 00760 Es ist nicht bekannt, welcher Vorbesitzer das Haus im Ober Bergli gebaut hat. Sicher ist, dass es 1937 bereits stand, sonst hätten Franz und Anna Herger-Stadler nicht innert Monaten dort hinauf ziehen können. Das Haus ist zu dieser Zeit in sehr schlechtem Zustand. Es hat nur eine Stube, eine russige Küche mit Kamin unter dem Dach und eine einzige Kammer. Das Foto zeigt nicht, wie es damal aussah. Das Haus wird erst durch Franz Herger-Stadler zur heutigen Höhe aufgestockt.
Foto 00934
Alpeli (Vorder Musenalp) auf 1495 m ü. M.
Franz und Anna Herger-Stadler haben mit dem Ober Bergli auch das Alprecht in der oberen Hütte auf Alpeli erwerben können. Das Alpeli, auch Vorder Musenalp genannt, wird als Sommerweide genutzt. Die ganze Familie zieht jeweils mit hinauf. Die kurze Distanz (ca. 30 min Fussmarsch) ermöglichen das Heuen im Ober Bergli.
Foto 11746
Der Weg hinauf zum Ober Bergli
Das Leben im Ober Bergli ist beschwerlich. Für die Kinder ist der Schulweg hinunter ins Dorf vor allem im Winter hart (ab 1941). Er führt vom Ober Bergli rund 300 Höhenmeter in der Falllinie hinunter in den Vorder Chlosterberg und von dort geht es auf der Kleintalstrasse noch einmal 300 Höhenmeter bis zum Schulhaus. Mädchen dürfen nicht in Hosen zur Schule. Auf dem Heimweg, der oft 2 Stunden dauert, müssen die älteren Geschwister, die noch Lebensmittel mittragen, die Kleinen oft ziehen.
Fridolin Herger Jg. 1933 erzählt
An diesen Winter erinnere ich mich, wie wenn es heute wäre. Der Schnee lag hoch. Meine Schwester, die die 7. Klasse besuchte, ich ein Viertklässler und unsere Erstklässlerin waren auf dem Heimweg von der Schule. Es schneite heftig und vor allem blies ein beissender Wind. Unsere Kleine hatte grosse Mühe dem Wetter zu trotzen. Mehrmals sind meine grössere Schwester und ich zusammengestanden und haben die kleine Schwester in unsere Mitte genommen, damit sie vor Wind und Schnee für einen Moment geschützt war. Dann gings weiter. Im Unteren Bergli haben wir im Stall Schutz gesucht und haben dort eine Weile im Heu geruht.
Übrigens war das einer der Tage, an dem der Schulpräsident Franz Bissig (Urirotstock-Wirt) nach der ‘Schul-Suppe’ befahl, die Schule, wegen des schlechten Wetters, für heute sofort zu beenden. Alle Kinder sollten sofort nach Hause. – Begleitet hat uns Kleintaler aber niemand!
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Franz Herger-Truttmann erweitert das kleine Haus, das nur eine Stube, eine Küche (mit Rauchabzug unter dem Dach) und einer Kammer aufweist um zwei weitere Kammern unter dem Dach.
Foto 01036
Haus im Unter Bergli
Die Eltern Franz und Anna Herger-Stadler ziehen hinunter ins Unter Bergli, das sie von der Jauch-Familie pachten können.
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1965 kann Walter Herger-Truttmann von Schieli Mariä das Alprecht auch in der unteren Hütte auf Alpeli übernehmen.
Der Betrieb, zusammen mit dem Alpeli, erlaubt einen Tierbestand von 14 Kühen, 16 Rindern und 14 Ziegen.
Foto 005950 Nachdem Walter und Maria Herger-Truttmann das Häimä vom Vater übernommen haben, gehen sie in den Folgejahren daran das Haus “zwäg” zu machen. Walter baut unter dem Dachgiebel eine weitere Kammer ein. Kurz bevor sie vom Ober Bergli wegziehen müssen, wird die Küche modernisiert. Es gibt fliessendes Wasser beim Chromstahl-Waschbecken.
Walter arbeit im Winter auswärts auf dem Bau.
Vom Berg aus dem Häimä Ober Bergli vertrieben
Ausschnitte aus dem Artikel im Vaterland vom 16. Nov. 1968:
Das Drama begann am ersten Sonntag im Oktober vor einem Jahr, als die Gebrüder Bissig (vom Hinter Chlosterberg) erstmals die Bodenrisse feststellten. … Die obersten Riss befinden sich rund 1500 m ü.M. Es kam der Winter mit den Unmassen von Schnee, wie es sie seit Menschengedenken nie mehr gab. … ,die Messungen über die Bewegungen des Hanges wurden alle zehn Tage durchgeführt. Manchmal musste man von einer Messung zur andern 10-20 cm Bewegung festhalten. Im ganzen hat sich der Hang mehr als 1.5 m talwärts fortbewegt. …
Gestützt auf den Bericht des Geologen und die Schlussfolgerunge vom Forstdienst Uri hat nun der Gemeinderat am 26. Okt. 1968 folgende Verfügung den beiden Familien eingeschrieben zugestellt:
1. Die Bewirtschaftung der Liegenschaften Klosterberg-Bergli und das Woihnen daselbst ist ab sofort einzustellen.
2. Der Aufenthalt in der Gefahrenzone, hinterer/mittlerer Klosterberg, Unter-/Ober -Bergli, vorderer/unterer Teil Allmend Alpeli, ist bis auf weiteres verboten.
3. Die Kleintalstrasse wird beim Klosterberg mit einer Gefahrentafel “Hangrutschgefahr” signalisiert.
4. Die Messungen werden bis zum Einwintern fortgesetzt. Sie sind zirka alle zehn Tage bei sichtigem Wetter durchzuführen.
5. Bei Zuwiderhandlung gegen diese Verfügung wird jede Verantwortung abgelehnt.
Foto 16024
Schattigmatthaus mit Stall
In der Schattigmatt findet die Familie von Walter und Maria Herger-Truttmann vom Ober Bergli eine vorläufige Bleibe. Im Stall können sie das Vieh unterstellen. Die Mutter Marie besorgt mit den Kindern das Vieh, während der Vater mit dem Töffli nach Attinghausen zur Arbeit im Steinbruch Gasperini fährt.
Foto Beroldingen (aus Internet)
Rund zwei Jahre ist das Ober Bergli amtliches Sperrgebiet. In dieser Zeit bietet sich der Familie von Walter und Maria Herger-Truttmann die Chance das Gut Beroldingen zu pachten. Beroldingen gehört mitsamt dem Schlösschen dem Fideikomiss. Die Familie Herger-Truttmann zieht 1970 aus dem Isenthal weg und wird Schloss-Bewohner. Walter kann einen ansehnlichen Landwirtschaftsbetrieb führen.
Aber es zieht ihn jeden Sommer ins Isenthal ins Ober Bergli und Alpeli, die noch immer in seinem Besitz sind. Walter kann hier sein Vieh alpen, während seine ältesten Kinder das Heu auf Beroldingen einbringen.
Foto 17986
Das Ober Bergli haben die Besitzer Sepp und Rita Herger-Gisler heute an Sohn Martin Herger verpachtet. Er bewirtschaftet einen Bauernhof auf dem Seelisberg.
Im Bergli wird ein Teil der Wiesen geheut, der andere wird gealpt.
Die Familie Josef und Rita Herger-Gisler, Schattigmatt, Ober Bergli, Alpeli, Musenalp
v.l. Josef / Regina / Vater Josef / Doris / Paul Häcki / Mutter Rita / Martin
Foto 001245 Josef, der zweite Sohn von Rita und Sepp Herger-Gisler, hat 2013 das Alprecht auf Musenalp erwerben können. Das Alpeli (rechts) wird so zur Nebenalp der Musenalp.
Video
Alpabfahrt vom Alpeli / Ober Bergli 2011 Familie Herger
Ein Film von Stefan Bissig, Berg und Ringli