Flue
Redaktion/Autor: Markus Aschwanden KKI
Drohnen-Fotografie: Felix Aschwanden
Erstellt: 2020
Datensammlung: Susanne Stadler-Infanger
Foto 002039 Die Flue liegt weit oberhalb des Dorfes umgeben vom Schartiwald auf 977 m ü.M. Der Name kommt vom Felsstreifen, der sich unterhalb des Häimä hinzieht. Von der Flue geniesst man einen herrlichen Blick aufs Dorf Isenthal.
Schon 1577 wird die Flue schiftlich erwähnt: “ab meinen guotteren gumbli und auf der fluo genant …,stost … an das Sütig.”
Drohnen-Video: Flug über die Flue
Grundbuch
Liegenschaft Nr. 131
(Hauptbuchblatt 36), Plan Nr. 5, Flue
43’024 m²
Eigentümer
Alois Zurfluh-Stadler
Mätteli, 6461 Isenthal
1/2 Miteigentum
Maja Zurfluh-Stadler
Mätteli, 6461 Isenthal
1/2 Miteigentum
Die Besitzer der Flue
Um 1800 gehört die Flue Josef Maria Sebastian Infanger 1767-1818, der die Halten bewirtschaftet. Er wohnt selber nicht in der Flue.
Seine Tochter Barbara Infanger 1803-1865 (Geburtsdatum unsicher) heiratet 1823 Josef Anton Maria Aschwanden 1791-1875, ein Sohn von “Stalde Toni”. Sie bewirtschaften das Bergheimwesen Flue, das aber weiterhin dem Halten-Vater Sebastian Infanger gehört.
Armut in der Flue
15 Kinder wurden dem Ehepaar Anton und Barbara Aschwanden-Infanger in die Wiege gelegt. Vier davon starben als Kleinkinder, zwei der älteren und die beiden jüngsten. Es war keine leichte Sache, die verbleibenden 6 Mädchen und 5 Buben zu ernähren. Oft konnte die Familie kaum das Leben fristen und musste im Jahr 1841 erstmals von der Armenpflege unterstützt werden. Weitere Zuschüsse sind vermerkt für die Jahre 1850 bis 1854. Verschiedentlich wurde Vater Toni zwischen 1845 und 1852 als Holzfrevler gebüsst, angesichts der grossen Familie und ebensolcher Armut ein verständliches Delikt. Auch die Behörden hatten ein Einsehen und hoben bespielsweise 1845 die Strafe von Gl. 2:20 auf, indem sie die Busse in ein Almosen des Dorfes umwandelten. 1851 lautete das Urteil auf 3 Tage Strassenarbeit anstelle eines Geldbetrags. Zur Selbstversorgung trug die Bepflanzung von Allmendgärten bei. Im Jahr 1852 erhielt Anton Aschwanden durch das Los Garten im Saumwald zugeteilt.
aus ‘Aschwanden Familienchronik’ von Hedy Kleiner-Aschwanden
Vier Söhne des Ehapaars Barbara und Toni Aschwanden-Infanger, Flue werden zu Stammvätern von vier Aschwanden-Stämmmen. Obwohl diese nur ihre Jugend auf der Flue verbringen, soll hier kurz dargestellt werden, wie es zu den Zunamen der Stämme kommt.
Die Stammväter der “Römer”, Träppis”, “Fienggis” und “Theduler” kommen von der Flue
Natürlich mussten die Aschwanden-Kinder von der Flue schon im Schulalter nach Möglichkeit ihr Brot selber verdienen und sich in den Sommermonaten bei Bauern und Älplern nützlich machen. So wurde diese Generation früh selbständig.
Karl Aschwanden 1836-1898 bezog 1849 im Alter von 13 Jahren einen Heimatschein, um ausserhalb des Tales sein Auskommen zu finden. Mitr etwa 20 Jahren liess er sich als Söldner anwerben und kämpfte in den italienischen Befreiungskriegen auf Seiten des Papstes. Um 1860 kehrt ins Isenthal zurückgekehrt, erhielt er (und seine Nachkommen) den ehrenvollen Zunamen “Römer” .
Johann Josef (Hanssepp) Aschwanden 1834-1897 kehrte mit 18 Jahren 1852 der Flue den Rücken. Auf seiner Wanderschaft als Zimmermann soll er bis nach Wien gekommen sein. Er lernte eine neue Art des Treppenbaus (Podest und gedrechselte Geländerstäbe). Weil er für seine Werke die ungewohnte Bezeichnung ‘Treppe’ statt ‘Stäägä’ verwendete, bekam er (und seine Nachkommen) den Zunamen “Träppi”.
Der älteste Sohn von der Flue Josef Maria Aschwanden verliess 1851 mit 18 Jahren das Tal. Nach Jahren als Knecht kam Josef Maria nahc Ottenbach und wurde dort in der blühenden Seidenweberei als Weber angelernt. Er soll seine Familie und weitere Isenthalerinnen mit Heimarbeit versorgt haben, sich also als Fergger betätig haben. Das brachte ihm (und seinen Nachkommen) den Zunamen “Fienggi” ein.
Theodul Aschwanden 1840-1916, der jüngste Bruder, verheiratete 1861 sich als erster, und blieb im Isenthal. Zusammen mit seiner 9 Jahre älteren Ehefrau Ursula Zwyssig vom Seelisberg waren sie erfolgreiche Bauern. 1866 kauften sie die Vordere Bodmi und 7 jahre später auch die Obere Egg. Seine Nachkommen sind die Theoduler oder Theduler.
aus ‘Aschwanden Familienchronik’ von Hedy Kleiner-Aschwanden
1859, bei der Eröffnung des Hypothekarbuches ist Michael Zwyssig als Eigentümer der Flue notiert.
Ob er der Ur-Grossvater von Anton Zwyssig (Besitzer ab 1921) ist, kann mit diesen Angaben nicht sicher gesagt werden, ist aber möglich. Vom diesem Ur-Grossvater wissen wir, dass er Michael Zwyssig geheissen hat und 1818 Ursula Aschwanden geheiratet hat.
Foto 06671 und 06664
Ihm folgt auf der Flue Johann Baptist Jauch 1843-1913, verh. 1877 mit Salome Bissig 1850-1918.
Anschliessend sind Franz 1824-1891, Andreas 1837-1905 , Josef 1831-1886 und Michael 1838-1880 Infanger Besitzer der Flue (Datenlage unsicher). Vermutlich sind es Brüder. Ihre Eltern wären dann Karl Josef Anton Infanger, verh. mit Anna Josefa Aschwanden. Der Grossvater der vier Brüder, Anton Infanger, erlegte 1820 den letzten Bären im Isenthal.
Foto 05252 und 00518
Andreas Infanger 1869-1946, verh. 1898 mit Anna Maria (Marlis) Gnos 1876-1911 kann später die Flue als Alleinbesitzer übernehmen. Sie sind die Eltern der Schipfler. Der bekannte Schipf Sepp wird 1901 auf der Flue geboren. Sein Urgrossvater ist der letzte Bärenjäger von Isenthal.
Andreas Infanger besitzt auch das Wätzlig und den Schipf.
Ehefrau und Mutter Anna Maria stirbt 1911. Sie hinterlässt sieben Kinder zw. 12 und 1 Jahr.
1920 wird im Hypothekarbuch Uri ein Alois Herger für ein Jahr als Besitzer der Flue verzeichnet.
Foto 07592 und 05234
1921 übernimmt Anton Zwyssig 1882-1953, verh. mit Katharina Aschwanden 1893-1971, von Bauen, die Flue.
Vorher wohnt die Familie Zwyssig-Aschwanden im Dorf.
Foto 18424
Grossmutter Katharina Zwyssig-Aschwanden mit zwei Enkelkindern. Der Knabe ist ihr Göttibub Emil Wipfli von der Bodmi, Seedorf, Sohn ihrer Tochter Margrit.
Das Ehepaar Anton und Katharina Zwyssig-Aschwanden, Flue hat 11 Kinder.
Rosa Mattausch (1. Ehe Sager) 1913-2002
Josef Zwysssig 1914-2000
Marie Hartmann-Zwyssig 1915-1992, verh. 1939 mit Alois Hartmann von der Oberen Schwändi 1910-1969
Elisa Sigrist (1. Ehe Achermann) 1916-2009
Magrit Wipfli 1919-2005
Alois Zwyssig 1922-2001
Anna Christen 1924-2014
Berta Zwyssig Klosterfrau Leocadia 1925-2005
Regina Geisseler 1926-2013
Hans Zwyssig 1928-2009
Franz Zwyssig 1936-2017
2 Kinder bei der Geburt gestorben
Foto 18423 Flue Wisi (rechts aussen) mit 6 seiner 10 Geschwistern vor dem Haus in der Flue.
Foto 05566 und 18426
1951 kann Alois Zwyssig 1922-2001 die Flue von seinen Eltern übernehmen.
Flue Wisi bleibt ledig und wohnt nach dem Tod seiner Mutter Katharina 1971 ganz allein im Häimä Flue.
Alois Zwyssig verkauft xxxx die Flue an Wisi und Maya Zurfluh-Stadler.
Diese bewirtschaften das Häimä selber.
Eigentums-Übergänge in der Flue laut Hypothekarbuch Uri und anderen Quellen
um 1800 | Josef Maria Sebastian Infanger 1767-1818, Halten, wohnt nicht in der Flue |
1823 | Tochter Barbara Infanger 1803-1865 (Geburtsdatum unsicher) heiratet 1823 Josef Anton Maria Aschwanden 1791-1875, bearbeiten die Flue. Das Häimä ist weiterhin im Besitz des Vaters von Barbara. Es herrscht grosse Armut in der Flue. |
1859 | Michael Zwyssig |
– | Johann Baptist Jauch 1843-1913, verh. 1877 mit Salome Bissig 1850-1918. |
– | Franz 1824-1891, Andreas 1837-1905 , Josef 1831-1886 und Michael 1838-1880 Infanger (Datenlage unsicher). Die genannte sind Enkel des letzten Bärenjägers. |
– | Andreas Infanger 1869-1946, verh. 1898 mit Anna Maria (Marlis) Gnos 1876-1911. Andreas’ Urgrossvater schoss den letzeten Bären im Isenthal. Dem Ehepaar gehören auch der Schipf und das Wätzlig (Schipfler) |
1920 | Alois Herger |
1921 | Anton Zwyssig 1882-1953, verh. mit Katharina Aschwanden 1893-1971 |
1951 | Alois Zwyssig 1922-2001 |
Alois und Maja Zurfluh-Stadler, Mätteli zu je 1/2 Eigentum |
Der Betrieb Flue
Foto 13285
Foto von 1967
Das Haus in der Flue ist alt. Hier wohnen zeitweise Familien mit über 10 Kindern. Der Platz wird da sicher knapp, auch wenn das Haus recht grosszügig wirkt.
Foto 13286 Foto von 1967 Diese Art des Bauens findet man im Isenthal selten. Der Stall ist direkt ans Wohnhaus angebaut. Welche Überlegungen dazu geführt haben, ist nicht bekannt. Drei Vorteile sind offensichtlich: Der Stall schützt das Haus vor herunterrollenden Steinen, die Isolation der einen Wand ist gegeben und das eine Gebäude braucht weniger Platz.
Foto 03748 Weil die Flue Ausgangspunkt von vier Aschwanden-Stämmen, hat die Chronistin Hedy Kleiner-Aschwanden die Flue auch zeichnerisch festgehalten und in ihr Werk ‘Aschwanden Familienchronik’ integriert.
Foto 18508 Kurz nach dem Mättlikehr zweigt der Weg zur Flue hinauf von der Kleintalstrasse ab. Hier wurde die Post für die Zwyssigs in den Briefkasten gelegt.
Foto 18425 Anton Zwyssig-Aschwanden, Flue mit drei seiner elf Kindern vor dem Flue-Haus.
Foto 00739 Flue Wisi findet im Chlosterberg gleichaltrige Kollegen.
v.l. Michae Bissig (Chlosterberg Michu) / Andreas Bissig (Chlosterberg Res) / Alois Zwyssig Flue (Flue Wisi) / Josef Bissig (Chlosterberg Sepp, Horn) / Alois Bissig (Luss Wisi)
Scan aus dem Film “Gekauftes Glück” Aus diesem Blickwinkel wird ersichtlich, in welch prächtiger Aussichtslage das Flue-Haus liegt.
Der Film wird zwar auf der Flue gedreht, weil diese Location dem Regisseur am besten entsprach, aber er erzählt nicht die Geschichte von Flue Wisi. Grundsätzlich aber ist es das gleiche Dilemma, im Film, wie im Leben von Wisi: Tüchtiger Bergbauer sucht Frau, die Mädchen aber wollen keinen Kleinbauern!
“Die Isenthaler Mädchen hatten wohl Angst, bei unsereinem gäbe es nichts zu essen!”
Wisi Zwyssig erzählt: “Zu meiner Zeit musste man als Kleinbauer schon damit rechnen, eventuell keine Frau zu finden. Aber ganz damit gerechnet hat man doch nicht. Wir hätten das ganze Tal heiraten können; wir sind mit fast niemandem verwandt. Als ich den Hof übernahm, sah es so aus, als könnte ich bald heiraten. Aber die Sache hat sich dann wieder gelöst. So ist es mehr als einmal gegangen und dann sagte ich mir schliesslich: Dann lassen wir es sein. Einmal habe ich noch ein Inserat aufgegeben. Als dann aber die Fotos kamen, konnte ich mich gar nicht entscheiden und antwortete nicht mehr.
Früher hatten die Isenthaler Mädchen wohl Angst, bei unsereinem gäbe es nichts zu essen. An den Gelegenheiten, jemanden kennenzulernen, lag es nicht. Wir hatten manchen lustigen Abend.”
aus ‘Alternative’ Mai 1988
Foto: Promotion für Film “Gekauftes Glück” Schauspieler vor dem Flue-Haus
Die Flue wird 1987 für den Spielfilm “Gekauftes Glück” als Drehort ausgewählt. Flue Wisi ist zufrieden, dass seine Bereitschaft den Hof zur Verfügung zu stellen finanziell entschädigt wird. Noch mehr aber freut ihn, dass dieser Film Abwechslung in sein sonst so einsames Leben bringt.
Foto 002027 und 13909 (unten)
Man darf behaupten die Flue trohne über dem Dorf Isenthal. Aber wie ein König leben kann man dort nicht.
Nicht einmal für den ledigen Flue Wisi reicht das Einkommen aus der Landwirtschaft. Er arbeitet zusätzlich als Bannwart und als Strassenmeister an der Kleintalstrasse. Daneben lebt Wisi sehr bescheiden. In einem Interview mit der Zeitschrift Alternative 1988 sagt er, dass er 1952 die letzte Kleidung gekauft habe.
Aber er weist auch stolz auf die Etappen den Fortschritts hin: Neues Stalldach, Täferung in den Zimmern, neues Hausdach, Seilwinde, Elektrisch, Wasserversorgung, neuer Ofen, Kochherd. Jedes Jahr wurde es ein bisschen besser.
Foto 02038 Um 1990 baut die Waldverwaltung Isenthal von der Kleintalstrasse her eine Erschliessungsstrasse für den Schartiwald. Diese Strasse führt oberhalb der Fluegrenze gegen Osten. Wisi kann von dort hinunter zu seinem Heim eine Stichstrasse erstellen. Endlich ist die Flue auch per Motorrad oder Auto erreichbar.